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Sonja Russ

Wie viel bin ich mir selbst wert

Beratungsstellen

Selbstwertprobleme haben viele Gesichter: Dabei reicht das Spektrum der Ausdrucksformen von Entscheidungsschwierigkeiten und Unsicherheiten im sozialen Kontakt bis zu übermäßig kritischer Auseinandersetzung mit dem eigenen Aussehen und Handeln. Dass selbstwertbezogene Themen über „Symptome“, die häufig in keinem direkten Zusammenhang zum Auslöser stehen, an die Oberfläche drängen, macht es Betroffene noch schwerer, die Wurzel des Problems zu erkennen und zu benennen. Bei geringem Vertrauen in eigene Fähigkeiten, Gefühlen innerer Lähmung oder Beeinträchtigung durch Blockaden lohnt es jedoch, genau hinzusehen und zu fragen, wie wir unseren Selbstwert stärken können.

Woher kommen Selbstzweifel?

Genauso vielfältig wie die Ausdrucksformen von Selbstzweifeln sind ihre Ursachen. Dabei ist es wesentlich zu erkennen, dass der Zweifel eine erlernte Reaktion ist, die unsere Möglichkeiten beschränkt. Wer kein (Ur-)Vertrauen in die Welt aufbauen konnte und selbst in engsten sozialen Bindungen nie Akzeptanz und Geborgenheit erfahren durfte, ist vom Zweifel an sich selbst eben nur einen Steinwurf entfernt.

Was hilft bei Problemen mit dem Selbstwert?

Um das Problem erkennen und bearbeiten zu können, muss zunächst der Tunnelblick beseitigt werden: Die eigene Sichtweise zu ergründen, zu erweitern und damit auch anpassen zu können, ist ein grundlegender Schritt in Richtung Stärkung des Selbstwerts. Dabei kann beispielsweise die Analyse der aktuellen Situation und ihrer Ursachen auf dem sogenannten „System-Brett“ unterstützen: Sie ermöglicht es, soziale Beziehungen mittels kleiner Holzfiguren zu visualisieren und aus neuer Perspektive zu betrachten, was mitunter auch Zugang zu verschütteten Emotionen und Erfahrungen öffnet.

Ist die Situation aus allen Blickwinkeln betrachtet, geht es in einem nächsten Schritt darum, die eigene Persönlichkeit kennen- und annehmen zu lernen. Indem wir uns selbst akzeptieren, befreien wir uns schließlich aus der Falle, unseren Wert durch andere bestimmen zu lassen. Wer seine Handlungsmuster aufgedeckt hat, erkennt in der Regel schnell, dass er die Erwartungen anderer nicht durchgängig erfüllen muss.

Natürlich erfordert dieser Prozess Zeit, Geduld und einen Rahmen, der vertrauensvolle Öffnung erlaubt. Ob Einzelberatung oder ein vertrauliches Gruppen-Settings unterstützender wirken, ist nur individuell bestimmbar. Gerne berate ich Sie in einem Erstgespräch über mögliche Optionen. Sie werden sehen: Schon der erste Schritt lohnt.

Warum äußere Selbstoptimierung nicht glücklich macht

Der Alltag verlangt uns einiges ab: Wir jonglieren mit Anforderungen, die Job und Privatleben an uns stellen, und versuchen dabei auch Körper und Gesundheit nicht zu kurz kommen zu lassen. Der Wunsch nach ansprechender Form führt mitunter sogar ins Fitness-oder Yoga-Studio, der nach einer gesünderen Lebensweise zur Ernährungsberatung. Dort wird vermessen, geprüft und ordentlich optimiert.

Doch während wir für äußerliche Selbstoptimierung einiges in Kauf nehmen und mit digitalen Helfern Daten über unsere Lebensweise sammeln, wird der intensive Blick aufs eigene Selbst immer noch vernachlässigt. Dass er Ruhe und den Willen, innezuhalten, voraussetzt, macht die Ausgangslage nicht einfacher.

Dabei ist die regelmäßige Auseinandersetzung mit Ängsten, Wünschen und Verhaltensmustern ein wesentlicher Bestandteil der Selbstfürsorge und essentiell, um in verunsichernden Umbruchszeiten zu bestehen, die durch Digitalisierung, Dynamiken des Arbeitsmarktes und neue Medien auf uns zurollen. Entfernen wir uns von uns selbst und vernachlässigen wir aufgrund des äußeren Drucks die innere Entwicklung, meldet sich die Psyche überdeutlich zu Wort: Panikattacken, Ängste und Burnout können nur einige Ausdrucksformen dieser inneren Entfremdung sein.

Psychohygiene – aber wie?

Dass die Selbstoptimierung im Außen stark mit der Einhaltung von (Ernährungs-, Sport- oder sonstigen Verhaltens-)Regeln verbunden ist, kann den Start erleichtern. Im Falle der mindestens ebenso gebotenen Psychohygiene fällt der Anfang aber schwerer: Wo starten? Was tun? Und wie bearbeiten?

Die stetig wachsende Ratgeberliteratur ermutigt dazu, einen individuellen Blick ins Seelenleben zu werfen. Sich alleine auf den Weg zu machen, kann aber mit Fallstricken verbunden sein. Wer sich nicht verlaufen möchte, sollte deshalb professionelle Begleitung durch eine/n Sparring Partner/in in Anspruch nehmen. Anders als bei der Anleitung zur äußeren Optimierung, steht hier nicht die Vorgabe von Richtlinien, sondern die Gestaltung des Rahmens im Vordergrund, in dem Sie Disziplin und Härte mit sich selbst ablegen dürfen. Denn nur in der Ruhe eines geschützten Bereichs werden Verletzungen, erlernte Verhaltensmuster und Krisen bearbeitbar.

Gönnen Sie sich also diese Momente des Innehaltens: Denn auch Ihre Seele hat ein Wellness- und Fitnessprogramm verdient.

Aufschieberitis vs. Erledigungszwang

Die meisten von uns kennen Prokrastination – also die Tendenz, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Dabei ist Präkrastination, der Drang unsere To Do’s möglichst schnell und effizient abzuarbeiten, ein mindestens genauso großes Problem. Für den Wirtschaftspsychologen Dr. Franz Schaudy stehen die beiden Phänomene sogar in direktem Zusammenhang: Dabei betrifft Präkrastination im beruflichen Bereich, in dem wir angesichts zunehmenden Leistungsdrucks stark zur Beschleunigung neigten, auf „Aufschieberitis“ im Privatleben.

Schneller, aber nicht besser

Indem wir unsere To Do-Liste rasch abarbeiten, mögen wir zwar ein Erfolgsgefühl empfinden, doch kann die Erhöhung des Tempos auch negative Konsequenzen wie höhere Fehleranfälligkeit und Einbußen bei Auseinandersetzungstiefe und Kreativität zur Folge haben. Deshalb sei es zentral, essentielle Entscheidungen nicht spontan und unmittelbar zu treffen.

Wieder zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden zu lernen, ist eine weitere Voraussetzung, um aus dem Teufelskreis auszubrechen. Führt Präkrastination im beruflichen zu Prokrastination im privaten Bereich, ist es jedenfalls an der Zeit, genauer hinzusehen: Schließlich liegt in Freizeit und Beziehungen der Schlüssel zu Erholung und Lebensglück. Wer sich stark überarbeitet und privaten Momenten keinen Raum gibt, wählt demgegenüber einen Weg, der schlimmstenfalls zu totaler Überlastung, Schlafstörungen, Depressionen und Burnout führt.

Eine neue Balance

Die Lösung des Dilemmas besteht darin, bewusste Entscheidungen zu treffen und Wertigkeiten neu zu verteilen. Schaudy rät seinen Klientinnen und Klienten in diesem Zusammenhang zu einer Zeitanalyse. Dabei wird für mindestens zwei Wochen aufgezeichnet, auf welche Tätigkeiten wie viel Zeit entfällt. Das ermöglicht Einsichten, die zur nachhaltigen Veränderung des eigenen Verhaltens beitragen können. Eine gute Idee, nicht wahr?

Ohne Kind – auch ok?!

Mutterschaft ist ein gewichtiges Thema, das Frauen unmittelbar mit gesellschaftlichen Zwängen, eigenen Ansprüchen und den Rollenerwartungen ihres Umfelds konfrontiert. Um die Vielschichtigkeit dieser lebensverändernden Entscheidung zu verdeutlichen, habe ich junge Frauen gebeten, ihre Sicht auf das Thema anonym in Gastbeiträgen zu vermitteln. Sie laden dazu ein, über eigene Muster und Denkweisen zu reflektieren.

 

Nach der dritten Fehlgeburt habe ich gespürt, dass mein Weg zum eigenen Kind hier zu Ende ist. Noch einmal wollte ich das meinem Körper, meiner Seele und meiner Beziehung nicht zumuten. Ich beschloss, Abschied von meinem Kinderwunsch zu nehmen.

Ganz so einfach war das natürlich nicht: Zuerst war da die Trauer um die drei kleinen Menschen, deren Herzschlag ich jeweils schon am Bildschirm des Ultraschallgerätes gesehen hatte, die aber dann einfach nicht auf die Welt hatten kommen wollten. Ich las Unmengen an Fachliteratur und besuchte eine Selbsthilfegruppe für Eltern von Sternenkindern. Der Austausch dort war sehr berührend und es tat gut, der Trauer Raum geben zu können. Allerdings stellte ich bald fest, dass die Gespräche eigentlich immer auf eines hinausliefen: „Wie kann ich möglichst bald wieder schwanger werden und schwanger bleiben?“ bzw. „Welche Möglichkeiten gibt es sonst noch, an ein eigenes Kind zu kommen?“. Ich wurde überschüttet mit guten Ratschlägen und Erfahrungsberichten, bekam die Telefonnummer einer Eizellen-Bank in Tschechien in die Hand gedrückt und hörte Geschichten von Pflegekindern, die sich „ganz normal“ entwickelt hätten.

Ich konnte mich in all dem nicht wiederfinden, fühlte mich fehl am Platz und fast wie eine Verräterin unter den vielen Frauen und wenigen Männern, die zwar traurig, aber trotzdem voll der „guten Hoffnung“ waren. Niemand konnte verstehen, dass ich meinen Kinderwunsch „einfach so“ aufgeben wollte. Zuhause, im familienfreundlichen Neubaugebiet am Stadtrand, sah ich plötzlich überall nur mehr glückliche Mütter und Väter, die am Spielplatz in der Sonne saßen und miteinander tratschten. Ich saß zuhause und fühlte mich unglaublich allein.

Ich bin überzeugt davon, dass es auch ohne Kind(er) möglich ist, ein glückliches und sinnvolles Leben zu führen. Eigentlich bin ich sogar gerne unabhängig und schätze Zeit für mich und das, was mir wichtig ist. Als kinderlose Frau ist es aber nicht leicht, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Keine Kinder zu haben gilt v.a. bei Frauen immer noch als Mangel. Man wird bemitleidet, bevormundet, oft nicht ganz für voll genommen, kann bei vielen Gesprächen nicht mitreden.

Ich träume von einem Netzwerk kinderloser Frauen, die ihre Erfahrungen, Sorgen und Lebensentwürfe miteinander teilen, die sich gegenseitig auf ihrem Weg bestärken und unterstützen und vor allem: die einander so annehmen, wie sie sind – egal, ob gewollt oder ungewollt kinderlos.

Ich arbeite, also bin ich?

Wir alle haben im Bekannten- oder Freundeskreis diese Person, bei der es mit der viel zitierten Work-Life-Balance einfach nicht klappen will: Immer am Telefon, ständig beim Abarbeiten von To Do-Listen und für gemeinsame Unternehmungen erst zu haben, „wenn es wieder weniger stressig ist“. Dumm nur, dass dieser Zeitpunkt nicht kommt, denn Workaholics ziehen von einer Herausforderung zur nächsten. Oft, weil Leistung zur emotionalen Ersatzhandlung oder selbst zur Antwort auf die Sinnfrage geworden ist.

Das Muss macht den Unterschied

Unser Tun ist fest mit Werten und Perspektiven verbunden. Arbeit (egal ob beruflicher oder privater Natur) kann uns also Sinn geben und erfüllen. Wir erleben dann, was der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi als Flow beschreibt: Freude am Prozess durch vollkommene Versenkung in eine Tätigkeit. Dieser Zustand hat mehr mit Muße zu tun als mit geschäftiger Getriebenheit.

Was wir als problematische Arbeitswut wahrnehmen, ist ein gänzlich anderes Phänomen. Es beginnt dort, wo das kleine Wörtchen „muss“ ins Spiel kommt: Denn es signalisiert, dass uns nicht die Tätigkeit selbst ans Tun fesselt, sondern Ansprüche und Motive, die wir in unserem Inneren tragen. Sie halten uns unablässlich in Bewegung, jagen uns von einem Projekt zum nächsten und machen aus dem viel mitunter ein zu viel.

Wer bin ich, wenn ich nichts tue?

Wo Leistung selbst zum Lebenssinn wird, sollten wir genau hinsehen. Denn wenn wir beginnen, innere Leeren durch Tun zu überlagern oder gar zu füllen, sind Motive am Werk, die es wert sind, beachtet zu werden. Wann immer wir uns als Getriebene in einem Hamsterrad wahrnehmen, sollten wir uns also fragen:

  • Wie steht es um meinen Selbstwert? Fühle ich mich als Mensch geschätzt oder nur ob meiner Leistungsfähigkeit?
  • Welche Ängste, Kränkungen und (ererbte) Klischees begleiten mich, wenn ich ans Tun denke?
  • Warum erlaube ich mir keine Verschnaufpausen? Sind Muße und Ruhe für mich positive Werte? Und wenn nein: Warum nicht?
  • Inwiefern ist meine Arbeit ein Mittel dafür, Beachtung, Anerkennung oder sogar Liebe zu erfahren?

Nehmen Sie sich für die Beantwortung dieser Fragen ein wenig Zeit und versuchen Sie, die Situation aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wie rastlos sind Sie gerade? Was fehlt Ihnen, um zur Ruhe zu finden? Und wie oft haben Sie heute schon „muss“ gesagt?